Verteidigungsbudget

Das bedeutet Trumps Zwei-Prozent-Ziel für Deutschland

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Von Klaus GeigerManaging Editor Global Reporters Network
Veröffentlicht am 16.02.2017Lesedauer: 5 Minuten

Der US-Präsident will, dass Deutschland fast doppelt so viel Geld für Verteidigung ausgibt. Aber hat das überhaupt Sinn? Und was hielten die Nachbarländer von einer hoch gerüsteten Bundesrepublik?

Der amerikanische Verteidigungsminister James Mattis ist ein harter, kantiger Mann. Pathos ist dem Ex-Elitesoldaten fremd. Als er aber nun im Nato-Hauptquartier in Brüssel die für Europa wichtigsten Sätze der Ära Trump sprach, griff er zu einem großen, bildhaften, fast poetischen Satz: „Amerika kann sich nicht stärker um die Sicherheit der Zukunft Ihrer Kinder kümmern als Sie selbst.“ Das saß.

Sollten die Europäer der Zwei-Prozent-Forderung nicht nachkommen, sollten sie nicht noch 2017 einen Plan dafür vorlegen, wollen die USA ihr Nato-Engagement verringern. 2002 hatten die Nato-Partner den USA gelobt, zwei Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts für Verteidigung auszugeben. Aber nichts getan. 15 Jahre lang war ihnen ihr Versprechen egal. Jetzt wurden sie daran erinnert, dass sie am kürzeren Hebel sitzen – dass sie auf den Schutz der Amerikaner angewiesen sind.

Deutschland gibt bisher nur 1,2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Verteidigung aus. Die USA verlangen also fast eine Verdopplung des Verteidigungsbudgets von der Bundesrepublik, von 45 Milliarden Dollar auf 75 Milliarden Dollar. Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen sagte, die US-Forderung sei angemessen, aus der SPD kam sofort heftige Kritik.

„Utopisch“, sagte der verteidigungspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Rainer Arnold, sei das. Sein grüner Kollege Jürgen Trittin schimpfte, nun solle Deutschland also Milliarden in neue Panzer investieren, „die dann irgendwo in Osteuropa herumstehen“.

Experten sehen es differenzierter. Der Nato-Kenner Christian Mölling von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) sagte einerseits: „Das Ziel macht an sich keinen Sinn.“ Es schere zu viele Länder über einen Kamm. Deutschland erreiche nicht nur deshalb 1,2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts, weil es wenig Geld ausgebe. Sondern auch, weil die Wirtschaftsleistung der Bundesrepublik so groß sei.

In Griechenland, wo die Wirtschaft in der Krise geschrumpft ist, schnellte der Anteil der Verteidigungsausgaben deshalb in jüngster Zeit auf 2,4 Prozent nach oben. Griechenland erfüllt mit Großbritannien, Polen und Estland als einziger Nato-Partner das Ziel. In Deutschland, wo die Wirtschaft stetig wächst, bleibt die Quote niedrig, obwohl die Bundeswehr jüngst wieder mehr investiert.

Über Jahre strich die Bundesrepublik den Wehretat zusammen, bis die Truppe in einem desolaten Zustand war. Nun gibt Deutschland wieder mehr Geld aus. Der Verteidigungsetat ist inzwischen zweitgrößter Posten im Bundeshaushalt. Bis zum Jahr 2020 soll er um zehn Milliarden Euro aufgestockt werden. Einen großen Sprung in Richtung der Zwei-Prozent-Marke wird Deutschland trotzdem nicht machen – denn auch die Wirtschaft wird in den nächsten Jahren weiter wachsen.

Aber ist die Quote überhaupt der richtige Maßstab? „Die Quote ist ein Input-Faktor“, sagt Nato-Experte Mölling. „Sie sagt nichts darüber aus, wie effizient das Geld verwendet wird.“ Die Nato führt auch Statistiken über die Effizienz der Nato-Partner.

„Deutschen schaffen das sowieso nicht“

Deutschland, bei der BIP-Quote nur auf Platz 15, steht im Effizienz-Ranking auf Platz drei. Deutschland investiert sein Geld gut. Hinzu kommt: Deutschland finanziert wenig sachfremde Ausgaben. „Andere Länder bezahlen aus dem Wehretat auch die Feuerwehr oder die Gendarmerie“, sagte Mölling. Sie blähten den Etat auf. „In manchen Ländern ist ein großer Verteidigungshaushalt eine Ehre“, sagte Mölling. In Deutschland sei bisher das Gegenteil der Fall.

Auch weil die Worte Deutschland und Rüstung stets Ängste weckten in Europa? Was, wenn nun der Wehretat fast verdoppelt würde? „Das sehe ich eher als taktisches Argument, um nicht mehr Geld ausgeben zu müssen“, sagt Experte Mölling.

Bei den europäischen Partnern gebe es hier weniger Vorbehalte, als in Deutschland behauptet werde. „Die Franzosen sind hier sehr pragmatisch“, sagt Mölling. „Die denken: Die Deutschen schaffen das sowieso nicht. Aber es wäre nicht schlecht, wenn sie ein bisschen mehr ausgeben würden.“

Trotzdem verändere eine massive deutsche Aufstockung das Gefüge in Europa. Denn schon im Moment liegt Deutschland bei den Militärausgaben nicht so weit hinter Frankreich und Großbritannien, wie es die Statistik glauben macht. Zwar liegt der Wert bei Großbritannien über zwei Prozent, bei den Franzosen liegt er nicht weit darunter.

Die Drohung stellt nicht die Beistandsverpflichtung der USA infrage

Aber die beiden Länder finanzieren eine Großmachtpolitik, die Deutschland nicht kennt. „Die Nuklearprogramme der beiden Länder sind nicht billig“, sagte Mölling. Hinzu kämen bilaterale Sicherheitsabkommen. So sei Frankreich etwa Schutzmacht vieler Länder in Afrika. Auch das koste Geld.

So donnernd die Ansage von James Mattis in Brüssel war: Der Umbau der Nato wird ein Prozess sein. Bis Jahresende soll ein Plan zur Erreichung des Zwei-Prozent-Ziels vorliegen. Bis wann dieser umgesetzt wird, ist offen. „Es ist auch ein Theaterspiel, das der US-Präsident zu Hause aufführen muss“, sagte Mölling. „Er hat sich so weit aus dem Fenster gelehnt, jetzt muss er auch liefern.“

Es wird also wohl nicht alles anders von heute auf morgen. Aber klar ist auch: Die Selbstverständlichkeit, mit der sich Europa von Amerika schützen ließ, ist vorbei. James Mattis stellte vor seiner Abreise aus Brüssel klar, dass er mit seiner Drohung an die Nato-Partner nicht die Beistandsverpflichtung der USA infrage stellt.

„Die USA stehen felsenfest zu Artikel 5 und zu unserem gegenseitigen Beistand“, sagte Mattis. Andererseits: Die Drohung, die USA könnten ihr Engagement reduzieren, steht nun aber im Raum. Wie genau das aussähe? Wie weit die USA gehen würden, wenn sich die Europäer dauerhaft widerwillig zeigten? Das weiß niemand. Mattis verließ Brüssel ohne eine Antwort darauf.


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